Warum Perfektionismus dich vom echten Leben abhält

Heute ist wieder Freitag – der Tag, an dem ich mir erlaube, frei über Themen zu schreiben, die uns alle bewegen. Und vielleicht auch dich dazu einladen, dir dein eigenes #Gedankenbild dazu zu machen.

Heute geht es um Perfektionismus – und darum, was er mit deinem Leben macht.

Wir leben in einer Welt, in der Perfektion ein leiser Götze geworden ist. Wir wollen die perfekte Arbeit abliefern, die perfekte Mutter oder der perfekte Partner sein, das perfekte Foto posten, den perfekten Körper haben und ein Leben führen, das auch im Licht von Instagram/Facebook/ TikTok/… makellos aussieht.

Doch während wir diesem Ideal hinterherjagen, verpassen wir oft das Einzige, was wirklich zählt: das echte Leben, mit all seinen Unvollkommenheiten.

Ein kleines Beispiel aus dem Alltag

Anna sitzt abends vor ihrer Seminararbeit (vielleicht für mich 😉 ). Sie liest jeden Satz fünfmal, löscht, schreibt neu, zögert. Ihre Freunde sitzen draußen, trinken Kaffee, reden, lachen. Anna denkt: „Ich kann erst mit, wenn der Text perfekt ist.“ Doch der Text wird nicht perfekt. Und der Abend vergeht.

Später fragt sie sich, warum sie sich leer fühlt, obwohl sie so fleißig war. Sie merkt nicht, dass ihr Streben nach Perfektion sie von dem Moment abgeschnitten hat, in dem Leben stattfand: im Lachen mit Freunden, im Wind auf der Haut, in der Wärme des Ungeplanten.

Was die Wissenschaft sagt

Perfektionismus ist oft keine Tugend, sondern Ausdruck von inneren Ängsten: Angst vor Ablehnung, Angst, nicht gut genug zu sein, Angst, wertlos zu erscheinen, wenn man Fehler macht.

Der Psychologe Paul Hewitt beschreibt Perfektionismus als „bedingten Selbstwert“ – wir fühlen uns nur dann wertvoll, wenn wir fehlerfrei sind.

Neurowissenschaftlich aktiviert Perfektionismus häufig Stressreaktionen, weil wir in einer ständigen Alarmbereitschaft leben, alles richtig machen zu müssen. Gleichzeitig bleibt die erhoffte Belohnung oft aus: Das „Dopamin-Hoch“ nach einer Leistung ist kurz, dann folgt sofort der nächste Anspruch, der nächste Schritt auf dem „Hedonic Treadmill“, der uns in ständiger Unzufriedenheit gefangen hält.

Studien zeigen, dass Perfektionismus mit Depressionen, Angststörungen und Prokrastination („Aufschieberitis“) zusammenhängt. Aus Angst, nicht perfekt zu sein, schieben wir Dinge hinaus oder erschöpfen uns darin, sie endlos zu optimieren, während wir das Leben vertagen.

Philosophisch betrachtet

Der Philosoph Albert Camus sprach davon, dass das Leben absurd sei, weil es nie alle unsere Wünsche erfüllen kann. Doch gerade in dieser Akzeptanz liegt Freiheit: Wir können aufhören, einem perfekten Leben hinterherzulaufen, das es nicht gibt, und anfangen, das Leben in seiner Unvollkommenheit zu genießen und akzeptieren.

Auch die Stoiker lehrten, dass wir nur unsere Haltung kontrollieren können, nicht die Umstände. Perfektionismus zwingt uns hingegen, Kontrolle erzwingen zu wollen – während wir das Wesentliche verpassen.

Und vielleicht hätte Jean-Paul Sartre heute TikTok gehasst. Nicht aus Ablehnung gegen Technologie, sondern weil er uns daran erinnern würde, dass unser Wert nicht davon abhängt, wie wir in den Augen anderer erscheinen. Sartre hätte uns ermutigt, Verantwortung für unser eigenes Leben zu übernehmen, statt es im ständigen Vergleich zu verlieren.

Was bleibt?

Vielleicht ist das echte Leben genau dort, wo wir unperfekt sind:
– im Mut, eine unfertige Arbeit abzugeben
– im Lächeln, wenn etwas schiefgeht
– im Gespräch, bei dem wir nicht alles richtig machen und immer recht haben müssen
– in der Freiheit, Mensch sein zu dürfen
– in der Liebe den Kopf auszuschalten

Perfektion mag uns Sicherheit versprechen, doch sie raubt uns oft die Wärme des Moments/ die Menschlichkeit. Vielleicht ist es an der Zeit, den Satz „Es muss perfekt sein“ durch einen neuen zu ersetzen: „Es muss echt sein. Ich muss etwas (wieder) fühlen können!“

Denn das echte Leben beginnt dort, wo wir den Mut finden, unperfekt zu sein – und uns trotzdem zu zeigen.

Dein Wert hängt nicht davon ab, ob du perfekt bist, sondern ob du den Mut hast, echt zu sein, ob du moralisch handelst, ob du verzeihen kannst, ob du Mitmenschen hilfst, … und NICHT, ob du perfekt auf andere wirkst!

Bist du meiner Ansicht?
Was ist deine Meinung dazu? Irrt der Mensch, solange er ist?

#Gedanken #Perfektionismus #Leben #leben #Realität #Gedankenmachen #Seinakzeptieren

Ps.: mir ist noch was eingefallen:

Werbung lebt vom Versprechen, dass wir „besser“ werden können. Besser aussehen, besser riechen, erfolgreicher, schlanker, organisierter, fitter, jugendlicher – kurz: perfekter. Marken suggerieren, dass ihre Produkte uns diesem Ideal ein Stück näherbringen.

Hinter diesem Mechanismus steckt Psychologie:
Perfektionismus basiert oft auf dem Gefühl, „noch nicht genug“ zu sein. Werbung verstärkt dieses Gefühl subtil, indem sie zeigt, wie wir sein könnten, wenn wir dieses Produkt kaufen. Das erzeugt eine Lücke zwischen dem Ist-Zustand und einem unerreichbaren Soll-Zustand, die nur kurzfristig gefüllt wird, aber langfristig bestehen bleibt – ein Kreislauf, der immer wieder Konsum triggert.

So wird das Streben nach Perfektion zur Verkaufsstrategie.
Makellose Haut, strahlende Zähne, perfekt aufgeräumte Häuser, glückliche Familien ohne Streit, Körper ohne Makel – diese Bilder dienen als Projektionsflächen für unser unbewusstes Verlangen nach Kontrolle und Zugehörigkeit.

Doch was oft verschwiegen wird:
Studien zeigen, dass der ständige Vergleich mit inszenierten Bildern in Werbung und Social Media Selbstzweifel, Körperunzufriedenheit und Stress fördert. Perfektion wird als Norm verkauft, obwohl sie eine Illusion bleibt.